|
|
COMMANDER PERKINS
Unerreicht – Unvergessen – Legendär
Ich steige aus dem Bus aus und merke, dass ich 30
Minuten zu früh angekommen bin. Und nicht nur
ich: Aus einiger Entfernung erkenne ich bereits
weitere Fans, die sich eingefunden haben. Irgendwie schon
ein ungewöhnlicher Ort für ein Livehörspiel. Im
tiefsten Westberlin, zwischen
Tempelhof und Steglitz, befindet sich eine kleine grüne Anhöhe,
eingefasst von einem Waldstück, auf der ein runder
Bau bescheiden hervorlugt: Der Insulaner. Mit
einnehmenden blauen Buchstaben zieht der Schriftzug den
interessierten SF-Fan sofort in den Bann: »Carl-Zeiss-Planetarium«.
Es ist der erste
Freitag im Mai 2007, der sich ungewöhnlich warm und mit kaum einer Wolke am Himmel präsentiert.
Ich betrete das Foyer und mir ist komisch. Viele
Erinnerungen kehren zurück. An der Glaswand neben der Kasse entdecke ich ein
Poster. Darauf abgebildet ist eine Mondlandschaft
mit drei Astronauten, die von einem riesenhaften
Kugelraumer zu ihrer Rakete laufen. Schlagartig werden wärmste Jugenderinnerung in mir wach. Dies war das "Unternehmen
Stardust" ... das erste Abenteuer von Major Perry
Rhodan. Und hier und heute wird das allererste
Livehörspiel über diesen Weltraumhelden aufgeführt.
Die Produzenten von Lübbe-Audio veranstalten mit
Christian Stark, Volker Lechtenbrink, Volker Brandt
und Claudia Urbschat-Mingues einen
Zusammenschnitt der aktuellen Staffel des
Sternenozeanzyklus. Ein "Hörspiel unterm
Sternenhimmel". Alte und junge Leser sind
anwesend und tauschen sich aus. Im Gegensatz zu
Star Trek ist ein Con oder Treff von Perry-Fans
meist sehr ruhig und angenehm leise. Dennoch ist
es sehr heiß und meine Glasflasche leert sich rasch.
Ich stelle mich etwas abseits, in der Nähe des
Eingangs zum Vorführraum auf, damit ich nicht zu
abgehetzt in die Veranstaltung komme. Als ich
meine Flasche zurück in meine Tasche stecken will,
schießt Volker Brandt an mir nach links fröhlich
trällernd vorbei. Sofort werden Bilder und Klänge
in mir wach. Gedankenfetzen zusammengesetzt aus
die drei ???, Schwarzwaldklinik, Tatort und, und,
und. .Nicht lange später erscheint auch Volker
Lechtenbrink mit konzentrierter Miene. Wieder
Bilder und Töne: Die Brücke, Enemy Mine, Caro-
Kaffee, Freitagskrimis und was weiß ich noch alles.
Das waren sie nun, die beiden, die neuen Stimmen
für Atlan und Perry. Ich merke, dass es immer
voller wird und das alle nun doch gespannt sind. An
mir laufen nun doch immer geschäftiger Leute aus
der SF- und Hörspielszene Berlins und außerhalb
vorbei. Ich erkenne die halbe Perry Rhodan
Redaktion, SF- Autoren und weitere Schauspieler.
Dann, endlich um 20.00 Uhr gehen die Holztüren
des Planetariumssaales auf.
Nach der Livelesung, die übrigens fantastisch und
sehr atmosphärisch war, dürfen Fragen an die
Schauspieler auf dem Podium gestellt werden. Zum
Beispiel, ob und wie lange die Darsteller das
Thema Perry Rhodan kennen. Christian Stark, der
dem Sohn der Hauptfigur die Stimme lieh,
erwähnt, dass sein Vater vor ihm schon in
der Perry–Rhodan–Hörspielserie der Achtziger
mitspielte. Etwas schmunzelnd erkenne ich manch
fragende Gesichter bei einigen Zuhörern; wer das
wohl gewesen sein könnte? Ich grinse
vor mich hin und höre eine bestimmte Stimme aus einem dieser Hörspiele in meinen Kopf sagen:
»Oh, oh, oh, Mr. Bull, so ist das nicht. Ich benutze
niemals Pomade, mein Haar ist von Natur aus
glatt. Außerdem geht es sie einen feuchten Kehricht
an, ob und wie ich mich an Rhodan herangemacht
habe.«
»So, wir machen jetzt eine 10-minütige Pause.
Wenn Sie möchten, können Sie jetzt nach vorne
gehen und sich Autogramme besorgen« meldet die
Moderatorin. Das ist meine Chance. Wann hat
man als Fan sonst schon die Möglichkeit, sich
Autogramme zu holen? Also marschiere ich als
erster zur Bühne und lande links vom Podium
bei Christian Stark, dem ich zwei CDs und ein
Computerstift hochhalte und mit meiner Berliner
Art sage:
»Hallöchen, bitte einfach mal über die
CDs klieren.«
Der Sprecher beugt sich über die
beiden Tonträger und in dem Moment fällt ihm die
Brille herunter. Kurzerhand reiche ich sie ihm
zurück und nach einem freundlichen
»Dankeschön« drängelt sich mir eine Frage heraus:
»Und? Geht es ihrem Vater gut? Ist er noch tätig?«
Ich erfahre, dass er sich bester Gesundheit erfreut
und tatsächlich noch aktiv ist. Ich und einige
Hörspielfans, welche sich inzwischen hinter mir versammelt haben
und die kurze Unterhaltung mitbekommen, hören
neue Namen von Hörspielen und eine Homepage
von derselben, wo er und sein Vater aktiv sind.
Gleich nebenan gibt Volker Brandt nun ebenfalls
Autogramme und liest dabei immer laut vor, was er
beschriftet. Als ich an der Reihe bin, krame ich
meine CDs heraus und auch hier tönt Herr Brandt offen hinaus:
»Aha ... Der Hyperschock und aha die
Femesängerin«.
Ich merke, wie langsam immer
mehr Fans ihre Scheu verlieren, zur Bühne
gehen und sich Autogramme holen. Es wird hier
vorn langsam spürbar voll.
Trotzdem! Eins muss noch getan werden. Ich
verstaue flink die beiden beschrifteten CDs, hole eine dritte aus meiner Tasche und
bringe angestrengt aber höflich hervor:
»Falls ick
se noch zu enem letzten Autogramm nötijen darf,
Herr Brandt?«
Flugs reiche ich ihm die CD
aufgeklappt und mit offenen Stift hinauf.
»Ick weß ,
det is´ aus de´ Steinzeit aber trotzdem ...«
Er unterbricht mich kurzerhand und sagt laut:
»Aha ...
Commander Perkins – Verschollen in der Unendlichkeit ...«.
Und weiter in der
gleichen Tonlage und Laune
»Als Colman ...«.
Einen kurzen Moment habe ich nun doch einen
Kloß im Hals. Ich bekomme mit, dass die
Nennung dieses Titels auch den Sohn von Horst
Stark erreicht und kurz darauf wild zu
gestikulieren anfängt. Er zeigt auf die CD und schaut, als
wenn gerade jemand ein Tor geschossen hätte. Christian Stark blickt herüber, liest lächelnd die Sprecherliste
und sagt hörbar gedankenverloren:
»Ach ja richtig, stimmt ja, Heikedine Körting...«
Dann
spricht Volker Brandt mich an, dass er wüsste, dass
diese Hörspiele generell früher die Kinder und
Jugendlichen intensiv hörten und viele bis heute
nicht vergessen haben. Daraufhin kann ich
ihm nur Recht geben. Irgendwie selig setze ich
mich wieder auf meinen Platz.
Nach der Livehörspielpause ziehen sich die Schauspieler zurück
und es folgen zwei Rhodan-Hörspiele von ca. 140
Minuten Länge, die unter der planetaren Kuppel mit
künstlichem Sternenhimmel aufgeführt werden.
Als alles vorbei ist, spaziere ich zu Fuß nach Hause.
Keine Lust auf Bus. Es ist stockduster und das blaue Licht der
Buchstaben des Planetariums wirkt auf dem
Gehweg wie, ja tatsächlich, wie ein Erfassungsfeld.
Innerlich höre ich, wie Prof. Common den
Countdown von 10 bis 0 herunterzählt und gerade
noch das Wort »Energiekontakt« sagen kann,
bevor es mich durch die Dimensionen meiner
Fantasie schleuderte.
Und
in jener Freitagnacht sehe ich über mir den
wirklichen Mond, das echte Gestirn, den wahren
Sternenstaub, im Strom der Unendlichkeit.
© by Joachim Marquardt
|
...............................................................................................................................
|
|
|